Mobbing ist leider immer wieder ein Thema in Kindergarten, Schule und Ausbildung. Eine schlimme Zeit für Kinder und die meisten Eltern sind ratlos und wissen nicht genau, was sie tun sollen und können.

Letzte Woche bekam ich eine Nachricht zur Diskussion, in wie weit Kinder, denen „andere Werte als dem Mainstream“ mitgegeben werden, in Kindergarten und Schule eher zu Mobbingopfer werden als andere Kinder: „Liebe Sonja, ich mache […] die Beobachtung, dass es Kindern, denen andere Werte vermittelt werden als beim Mainstream ( bei dem oft gar keine mehr vermittelt werden, sondern nur Materielles eine Rolle spielt ) immer wieder Probleme mit ihren Mitschülern bekommen und viel Kraft brauchen, um sich in ihrem Anderssein behaupten zu können. […]

 

Mobbing bei Kindern

 

Mich haben die Kommentare und E-Mails sehr berührt und ich musste länger darüber nachdenken. Ich denke, dass dies ein Thema ist, das viele Eltern beschäftigt und ich habe mich entschieden, darüber einen extra Post zu schreiben. Es wäre zu einfach, zu sagen, dass es beim Mobbing um die Werte geht, die wir als Eltern vermitteln oder nicht vermitteln, sondern es ist ein sehr vielschichtiges Phänomen. Ich möchte versuchen, einen kleinen Einblick zu geben

Nicht näher eingehen möchte ich auf die Definition von Mobbing, Informationen darüber gibt es unter anderem hier.

 

Ursachen von Mobbing bei Kindern

Grundsätzlich ist Mobbing kein individuelles Problem der Opfer oder Täter, sondern ein strukturelles Gruppenphänomen, das eskaliert, weil keine rechtzeitigen und hinreichenden Interventionen erfolgten. In der Schule liegen in der Regel Konflikte vor, die unterschiedliche Auslöser haben können: Überforderung, Unterforderung, ein überzogenes Leistungsverhalten, oder ein  gestörtes (Lern-)Klima an der Schule bzw. in der Klasse. In Klassen, in denen gestörte Lehrer-Schüler-Beziehungen herrschen, verschlechtert sich bald auch das Verhältnis der Schüler untereinander.

Aber es gibt auch bestimmte Persönlichkeitszüge, die bei Kindern  dazu führt, dass sie eher zu Mobbingopfern werden. Dazu gehören besonders ängstliche oder überangepaßte Kinder und solche mit einem geringen Selbstwertgefühl. Auch auffälliges oder andersartiges Aussehen, Ungeschicklichkeit,
Hilflosigkeit oder geringe Frustrationstoleranz können dazu prädestinieren.

Aus einer neuen Studie geht hervor, dass sich auch der Erziehungsstil darauf auswirkt, wie gut sich Kinder gegenüber Gleichaltrigen behaupten und gegen Mobbing zur Wehr setzen können. Das Bemerkenswerte ist, dass sowohl besonders streng als auch besonders behütet aufgewachsene Kinder eher zur Zielscheibe mobbender Mitschüler werden. (Dieter Wolke et al., Parenting behavior and the risk of becoming a victim and a bully/victim: A meta-analysis study, Child Abuse & Neglect, 2013)

Zu sehr behütete Kinder können möglicherweise die nötigen Fähigkeiten nicht entwickeln, um sich gegen Angriffe von Mitschülern zur Wehr zu setzen.Sie sind verletzlicher, wenn ihre Eltern versuchen,
sie vor unangenehmen Erfahrungen zu bewahren und sie lernen nicht, ihren Selbstwert kennen zu lernen und Konflikten angemessen zu begegnen. Genauso wirkt sich eine übermäßig strenge Erziehung mit viel negativer Rückmeldung schlecht aus. Kinder, die in einem derart geprägten Umfeld aufwachsen, haben ein erhöhtes Risiko sowohl Mobbing-Opfer als auch -Täter zu werden. Außerdem zeigte die Studie, dass Kinder, die zu Hause immer wieder von Geschwistern untergebuttert werden, mit großer Wahrscheinlichkeit auch außerhalb die Opferrolle einnehmen.

Warum mobben Kinder andere?

Es gibt unterschiedliche Gründe dafür, warum Kinder andere mobben. Ein kleiner Teil der Mobber hat soziophatische Züge oder empfindet Befriedigung dadurch, andere leiden zu sehen Die meisten möchten ihre Position innerhalb der Gruppe festigen und suchen nach einem Mittel, um ihre Macht zu demonstrieren. Persönliche Unsicherheit ist hier ein großes Thema.

Durch das Internet und Smartphones haben sich durch die verschiedenen Social Media-Möglichkeiten auch neue (und für viele einfachere) Möglichkeiten ergeben, andere zu erniedrigen. Cyber-Mobbing ist eine noch gravierendere Form, da es praktisch keinen Raum mehr gibt, in den man sich zurück ziehen kann.

Hilfe bei Mobbing

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass die Schikane und Tyrannei durch Gleichaltrige in Kindergarten und Schule auf keinen Fall als harmlos, normal und als unumgänglicher Teil des Erwachsenwerdens abgetan werden. Denn Menschen, die in ihrer Kindheit gemobbt wurden, haben als Erwachsene ein sechsmal höheres Risiko als andere, an einer schweren Krankheit zu leiden, regelmäßig zu rauchen oder eine
psychische Krankheit zu entwickeln. (Quelle: Psychological Science)

Eltern sollten die Warnsignale von Mobbing kennen, sie ernst nehmen (z. B. wenn das Kind nicht mehr in die Schule gehen will, sich oft krank fühlt, Alpträume hat oder Schulsachen beschädigt nach Hause bringt) und sofort handeln. Eltern sollten vor allem ihrem Kind gegenüber deutlich machen, dass sie ganz auf seiner Seite stehen und ihm vermitteln, dass es an dem Problem nicht selber schuld ist. In gemeinsamen Überlegungen sollten sie die nächsten Schritte überlegen. Das können dann Gespräche mit den Lehrkräften oder der Schulleitung sein. Dabei ist darauf zu achten, dass von deren Seite alles getan wird, dass sich das betroffene Kind in den folgenden Tagen und Wochen sicher fühlen kann. Opferschutz steht bei allen Maßnahmen an oberster Stelle.

Eltern sollten bei einem Mobbing-Verdacht nicht vorschnell mit dem Täter oder seinen Eltern Kontakt aufnehmen. Die Erfahrung zeigt, dass es sinnvoll ist, auf professionelle Hilfe zurückzugreifen, wenn sich keine schnelle Lösung abzeichnet.

 

Hier noch einmal konkrete Schritte im Überblick:

  • Gespräche mit dem Kind
  • Informationen über Mobbing vermitteln
  • Lösungen gemeinsam planen
  • Mit der Wut umgehen lernen
  • Ein Tagebuch führen
  • Das Selbstvertrauen stärken
  • Externe Hilfe einholen
  • Schulische Hilfe einfordern
  • Schulische Prävention und Intervention anregen

 

Möglichkeiten der Prävention durch Eltern

Der Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühls ist der beste Schutz vor einer Verstrickung in Mobbing. Ein gutes Selbstwertgefühl entwickelt sich in der frühen Kindheit über die Erfahrung von Geborgenheit und spätere sichere Bindungserfahrungen. Dadurch lernen Kinder Verhaltensmuster, die sie davor schützen, sich demütigen zu lassen oder andere demütigen zu müssen.

Positiv wirkt sich ein Erziehungsstil aus, bei der Eltern zwar klare Regeln setzen, den Kindern aber dabei Zuneigung, Geborgenheit und Vertrauen entgegenbringen, sie mit Rat unterstützen und auf gute Kommunikation Wert legen. Kinder lernen dadurch, dass ihre Meinung und ihr „Nein“ eine Bedeutung hat.

Trotzdem können Kinder zu Opfer werden. In diesem Fall sind sie aber eher als andere in der Lage, sich Hilfe bei Lehrkräften oder ihren Eltern zu holen, da sie im Verlauf ihrer Entwicklung die Erfahrung von Vertrauen gemacht haben.

Für mich persönlich bedeutet das, dass ich unsere Mädchen weiterhin konsequent und liebevoll erziehen werde. Ich werde ihnen auch weiterhin meine (unsere) Werte mit auf den Weg geben (denn welche sollte ich ihnen sonst vermitteln) und gespannt darauf sein, welche einmal ihre sein werden. Ich weiß, dass unsere Mädchen im Kindergarten, der Schule und später im Beruf anderen Meinungen und ihnen nicht immer positiv gesinnten Menschen begegnen werden, aber ich vertraue darauf, dass sie Vertrauen in sich selbst und ihre Meinung haben werden, um sich zu wehren und zu behaupten. Sollte es unseren Mädchen doch einmal schlecht gehen, werde ich auf ihrer Seite stehen, sie lieben und unterstützen mit dem, was gerade richtig und gut für sie ist.

Weitere Tipps zur Prävention:

  • Mit Kindern über Mobbing sprechen, auch wenn sie noch nicht damit in Kontakt gekommen sind.
  • Kindern erklären, dass das Problem bei dem liegt, der andere mobbt, nicht bei dem Opfer.
  • Kinder ermutigen, mit ihren besten Freunden eine Absprache zu treffen: „Wir unterstützen uns gegenseitig, wenn andere uns dumm kommen und lassen nicht zu, dass einer von uns geärgert wird.“

 

Hast du schon Erfahrung mit Mobbing machen müssen? Was hat geholfen? Was war kontraproduktiv?

 

Weitere Informationen zum Thema gibt es u.a. hier: