Ich schreibe hier auf dem Blog häufiger über Minimalismus, über Ausmisten und Aufräumen und warum sich für mich in vielen Lebensbereichen „weniger ist mehr“ bewährt hat. Auch viele andere Blogger und Autoren befassen sich mit diesem Thema. Gerade zum Jahresbeginn gibt es viele Aktionen dazu auf Blogs und Instagram (zum Beispiel die 40-Tage-Aufräum-Challenge #zeitstattzeug oder #12wochenordnung). Es scheint, als wäre Minimalismus gerade im Trend. Was ist Minimalismus eigentlich? Wie funktioniert es und warum wird das Thema aktuelle so gehyped? Ich wage hier heute einen kleinen „Rundumschlag“…

Minimalismus Kleidung

Was ist Minimalismus?

„I am intentionally trying to live with only the things I really need.” (Joshua Becker)

Minimalism is a tool that can assist you in finding freedom. Freedom from fear. Freedom from worry. Freedom from overwhelm. Freedom from guilt. Freedom from depression. Freedom from the trappings of the consumer culture we’ve built our lives around. Real freedom.“ (Joshua Fields Millburn & Ryan Nicodemus)

„Minimalism removes the meaningless to make room for the meaningful.“ (Jacob Jolibois)

Minimalismus, Ausmisten, Aufräumen, sind gerade in aller Munde. Dinge auszusortieren, die ich nicht wirklich brauche, kann regelrecht süchtig machen. Aber wenn es „nur“ darum ginge, auszumisten und zu reduzieren, wäre Minimalismus nur ein Trend, ein Lifestyle.

Ich denke, ein sehr großes Problem in unserer Gesellschaft ist, dass Besitz und das „Ein-bestimmtes-(neueres, aktuelleres, stylischeres, auf den sozialen Medien gerade gesehene)-Produkt-unbedingt-haben-wollen“-Phänomen eine viel zu große Bedeutung für uns haben. Ich dachte immer, je mehr ich besitze (und wenn ich erst diese Vase oder diese Tasse oder… besitze), desto besser geht es mir, desto glücklicher bin ich. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Jedes Teil mehr kostet auch mehr Energie und weckt außerdem weitere Begierlichkeiten.

Wir kaufen Dinge nicht, weil wir sie wirklich brauchen, sondern, weil wir meinen, dass sie uns glücklich machen und weil Kaufen schneller und einfacher ist, als uns damit zu beschäftigen, was wir wirklich brauchen und was uns wichtig ist.

Simplicity is ultimately a matter of focus.” (Ann Voskamp)

Der Begriff kommt aus der Architektur und steht dort für eine klare Formsprache. Als Lebensphilosophie ist Minimalismus weniger eindeutig und umfasst eine ganze Bandbreite – von totaler Konsumverweigerung bis hin zu Menschen, die ihren Konsum regelmäßig hinterfragen. Für mich geht es beim Minimalismus nicht um Sterilität und Kargheit, nicht um das Reduzieren von Dingen auf eine bestimmte Anzahl und nicht das Falten von Kleidungsstücken nach einem bestimmten System.

  • Es geht beim Minimalismus darum, mich in allen Lebensbereichen damit zu beschäftigen, was wirklich Bedeutung für mich.
  • Es geht darum, mich frei zu machen von dem Gedanken, Dinge besitzen zu müssen, um glücklich zu sein. Dafür muss ich mich intensiv mit mir selbst auseinander setzen und schauen, wo wichtige Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden.
  • Wenn ich mich in allen Lebensbereichen auf das konzentriere, was gut und wichtig für mich ist, kann ich aus dem Hamsterrad von „immer schneller“ und „immer mehr und gleichzeitig“ aussteigen.

Mehr zu diesem Thema gibt es in den folgenden Artikeln:What ist Minimalism?“ (Joshua Fields Millburn & Ryan Nicodemus, the minimalists), „Was ist Minimalismus?“ (Jörg Faber, Simplizist), „What is Minimalism?“ (Joshua Becker, becoming minimalist).

Verschiedene Arten von Minimalismus

Wenn von Minimalismus die Rede ist, ist nicht immer das Gleiche gemeint. Die unterschiedlichen Arten und Typen können sich überschneiden und das „Weniger“ steht im Vordergrund:

  • Ästhetischer Minimalismus. Hier geht es nicht primär darum, weniger Gegenstände zu besitzen, sondern wenige (in den eigenen Räumen) zu zeigen. Die bevorzugte (Wohn-)Farbe ist Weiß.
  • Essentieller Minimalismus. Menschen verfolgen hierbei das Ziel, auf so viele Dinge wie möglich zu verzichten und herauzszufinden, mit wie wenig Besitz sie leben können.
  • Experimenteller Minimalismus. Hierbei steht der Glaube im Vordergrund, dass das Streben nach Erfahrungen wichtiger ist und zufriedener macht als das Streben nach Besitz.
  • Nachhaltiger Minimalismus. Hier geht es um ein „green living“: Reduzierung der Abhängigkeit und des Konsums von Besitz und des Schadens für die Umwelt. Besitz (Werkzeug, Land, Kleidung,…) ist wichtig, wenn er hilft, an anderer Stelle für Weniger und mehr Gutes zu sorgen.
  • Wirtschaftlicher Minimalismus. Der Fokus liegt hier darauf, weniger auszugeben, als weniger zu besitzen oder zu nutzen.
  • Achtsamer Minimalismus. Achtsame Minimalisten ziehen ihre Freude und Zufriedenheit daraus, überflüssige Dinge loszuwerden, um Frieden zu finden. Dabei kann es sowohl um Besitz gehen, als auch um Schuld, Stress und andere negative Gefühle.

Chaos und Wohlbefinden – Was sagt die Forschung?

Die Forschung hat sich damit beschäftigt, was zu viel (Besitz und Chaos) mit unserem Wohlbefinden macht und hat einiges dazu herausgefunden:

Ob und wann eine bestimmte Menge an Besitz und Chaos als negativ wahrgenommen wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Nicht jeder fühlt sich durch zu viel Besitz, herumliegende Schuhe, Papier- und Zeitschriftenberge oder unfertige Projekte gestört. Die Unzufriedenheit und Frustration über ein zu volles und chaotisches Zuhause ist jedoch bei Frauen größer als bei Männern und steigt mit dem Alter. Wird dieses „Zu-Viel“ als negativ und als Belastung empfunden, kommt es zu einem deutlichen Anstieg der Stresshormone.

Menschen, die von zu viel Chaos und Durcheinander umgeben sind, neigen eher zu Prokrastination (dem Aufschieben von Aufgaben). Das könnte daran liegen, dass das Suchen nach und Hin- und Herräumen von Dingen nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der meisten Menschen gehört.

Dass Menschen zu viele Dinge anhäufen und damit überfordert sind, diese wieder loszulassen, liegt häufig daran, dass sie sich (zu) stark mit ihnen und über sie identifizieren.

Mehr zu diesem Thema gibt es im englischen Artikel:The Unbearable Heaviness of Clutter“ (Emilie Le Beau Lucchesi, The New York Times)

Minimalismus Nachttisch
minimalismus Pflanzen

Wie funktioniert Minimalismus?

If you want to get rid of a lot of stuff, I recommend taking time to figure out what you’re keeping first.“ (Joshua Becker, becoming minimalist)

Beim Minimalismus geht es nicht um die Anzahl der Dinge, die wir besitzen (oder nicht besitzen), sondern darum, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.

Sortieren wir aus, einfach, weil wir es können, werden wir uns anschließend traurig und einsam fühlen und erneut losziehen und neue Dinge kaufen. Ein Jo-jo-Effekt setzt ein. Beim Aussortieren helfen deshalb die folgenden Punkte:

  • Nicht radikal alles auf einmal aussortieren, sondern sich langsam vortasten und ausprobieren, was wirklich wichtig ist und ohne was man nicht leben kann. Ebenso ist es hilfreich, mit einfacheren Bereichen zu beginnen
  • Zu Hause jeden Raum durchgehen und entscheiden, wofür er da ist und welche Aufgabe er hat. Alles, was diesem Ziel nicht dient, kommt raus. Dies lässt sich auch auf Tage und Tageszeiten, meine Gedanken und andere Bereiche übertragen.
  • Zwischen Minimieren und Aufräumen unterscheiden. Nur, weil es irgendwo aufgeräumt ist, bedeutet dies nicht, dass nicht zu viel da ist.
  • Für alles sollte eine der drei Optionen ausgewählt werden: Es bleibt, wo es ist, es kommt an einen anderen Ort oder es kommt weg!
  • Die Konzentration sollte auf den Vorteilen und nicht dem Verlust liegen. Es geht nicht darum, geliebte Dinge auszusortieren, sondern darum, auszumisten, was uns davon abhält, das Schöne und Wichtige zu genießen.

Und wenn alles Unnötige weg ist? Dann besteht die Kunst darin, die „Lücken“ nicht schnell und unbedacht wieder zu schließen und z.B. shoppen zu gehen. Ich brauchte etwas Zeit, um mich an die neue Freiheit zu gewöhnen. Ich musste mir vornehmen, eine Zeit lang gar nichts zu kaufen. Mittlerweile handhabe ich es so, dass ich für jedes neue Teil ein altes aussortiere.

Am Ende geht es beim Minimalismus darum, mich nicht ablenken zu lassen und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren:

  • Wer bin ich?
  • Wofür bin ich hier?
  • Was ist für mich wichtig(er als alles andere)?
  • Worauf kommt es mir im Leben wirklich an?

Weitere interessante Artikel: „Wenn 45 Paar Schuhe ein Verzicht sind – Aufräumen soll das nächste große Ding der Selbstoptimierung werden, wenn es nach Bestseller-Autorinnen wie Marie Kondo geht. Dabei übersehen wir unser eigentliches Problem: sinnloses Shopping.“ (Katharina Holzinger, SZ), „Benefits of Minimalism“ (Joshua Becker, becoming minimalist), „What It’s Really Like to Be a Minimalist“ (Mandy Ferreira, GH)

Einige meiner bisherigen Artikel zum Thema Minimalismus:Mein Single-Tasking-Vorhaben | Minimalismus für den Alltag„, „Mein Weg zum Minimalismus | Das Zuhause entrümpeln„, „Mein Social Media-Minimalismus

Nun würde mich interessieren: Kannst du mit Minimalismus etwas anfangen? In welchen Lebensbereichen findest du Minimalismus besonders wichtig? Findest du dich in einem der Minimalismus-Arten besonders wieder?