Als 2009 unsere erste Tochter geboren wurde, war ich absolut vorbereitet. Die Entwicklung während der Schwangerschaft hatte ich mit Hilfe eines Newsletters verfolgt, wir hatten ein eingerichtetes Kinderzimmer, ich war bei einem Geburtsvorbereitungskurs und hatte eine sehr gute Hebamme. Als unsere Tochter dann auf der Welt war, fühlte ich mich auf einmal so gar nicht mehr vorbereitet. Ich hatte ein kleines Bündel auf dem Arm, für das wir nun die komplette Verantwortung hatten und sicherstellen mussten, dass es ihr gut geht und dass sie sich wohl fühlt. Ich habe gelernt, dass es einzig auf mein Bauchgefühl und die Verbindung zu ihr ankommt und dass das durch keinen Erziehungsratgeber und kein Internetforum ersetzt werden kann.
Nach zwei weiteren Geburten wusste ich, dass ein gesundes Kind ein Geschenk ist (unsere mittlere Tochter ist 2012 mit vier Monaten an einer seltenen Knochenkrankheit gestorben), dass Kinder nicht in ein Raster passen und nicht meinen Erwartungen entsprechen müssen, sondern ihren eigenen Kopf und ihre eigene Persönlichkeit haben.
Auf die Mutterrolle war ich nicht vorbereitet. Dafür gibt es keine Ausbildung und kein Studium (ein Pädagogik-Studium hilft nicht!). Meistens kann ich meine Mädels und die Zeit mit ihnen genießen. Wie oft habe ich mich aber schon gefragt, ob ich eine gute Mutter für meine Töchter sein kann. Wie oft hangele ich mich von „Phase zu Phase“ und hoffe, dass es einfacher wird.
Die Intensität, die das Leben mit Kindern ausmacht, macht mich auf der einen Seite unendlich glücklich und raubt mir doch manchmal die Luft zum Atmen.
Ich muss mich von Zeit zu Zeit neu finden, in mich hinein hören und mir bewusst Auszeiten nehmen. Genauso wichtig sind mir Zeiten mit meinem Mann, in denen wir einfach nur Paar sein und zusammen Pläne schmieden können.
Warum ich auf meinem Blog über Familie schreibe
Die Geburt eines Kindes ist eine große Veränderung und birgt eine große Chance. Kinder fordern uns auf eine spezielle und intensive Weise heraus und zwingen uns, uns über unsere Einstellungen und Lebensweise Gedanken zu machen. Wenn wir die Chance nutzen, können wir unser Leben neu ausrichten. Und auch die Unterbrechungen im beruflichen Alltag bietet die Chance für eine Neuorientierung.
Mit meinen Beiträgen habe ich den Wunsch, dass Mütter (und Väter) erkennen, wie einzigartig sie und ihre Familie sind, herausfinden, was für sie gut und wichtig ist, den Mut haben, Veränderungen zu wagen, wo sie nötig sind, sich nicht von der Meinung und den Standards anderer verunsichern lassen, einen Familienalltag gestalten, der zu ihnen, ihrem Partner und den Kindern passt und auch andere Familien stehen lassen können und ermutigen, ihr Familienleben selber aktiv zu gestalten.
„Creating modern family values is not easy. We’re pulled in many directions with technology, resources, entertainment and ideas and we’re more influenced by others now more than ever thanks to social media. It’s easy to get confused. It’s easy to feel conflicted. But, a simple question to ask yourself at any moment is: What is most important right now?“ (Shawn Fink)
Für Familie gibt es kein Patentrezept. Was für die eine Familie, die einen Kinder und die einen Eltern gut und hilfreich ist, funktioniert und passt für andere Familien nicht. Es ist wichtig, dass jede Familie für sich herausfindet, wie sie ihr Leben authentisch gestalten und leben möchte und kann. Die Kategorien „Richtig“ und „falsch“ sind deshalb nicht hilfreich. Vielmehr sollte jede Familie für sich die folgenden Fragen beantworten:
- Was ist uns wichtig? Was macht uns zufrieden?
- Wie wollen wir zusammen leben?
- Was ist unsere Vision?
- Wie können wir unsere Werte leben?
Wie der Familienalltag gelingen kann
In der Zeit, in der ich mich mit Familie(n) und -leben auseinandersetzen konnte, haben sich ein paar Punkte herauskristallisiert, die für einen gelungenen Familienalltag hilfreich sind:
Auf die eigene Intuition hören lernen.
Als Eltern können uns die vielen Entscheidungen, die wir treffen müssen, an den Rand unserer Kraft treiben. Wir fragen Ärzte, Experten, andere Eltern und Freunde, lesen Test-Zeitschriften und Foren und wissen am Ende noch weniger, was das Richtige ist. Wir machen uns verrückt und experimentieren mit Tipps und Tricks, an die wir selber nicht wirklich glauben. Dabei haben wir die wirkliche Weisheit bereits in uns drin. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass die Entscheidungen unseres Unterbewusstseins nicht nur schneller, sondern oft auch sehr viel treffsicherer und vernünftiger sind als die, die wir nach langer Überlegung treffen. Außerdem passen sie am besten zu uns und unseren Werten.
Raum und Zeit, um selber Energie tanken zu können.
Ist ein Kind da, ist der komplette Alltag von Müttern und Vätern auf den Kopf gestellt. Besonders die andauernde Verantwortung für eine Familie, dauerhaft volle To-do-Listen und das ständige Gefühl, nicht allen und allem gleichermaßen gerecht werden zu können, sind anstrengend und zehrend. In Zeiten, in denen häufig nicht einmal der alleinige Gang auf die Toilette möglich ist oder Kinder durch Krankheiten, Hausaufgaben oder Stress mit Freunden Aufmerksamkeit brauchen, ist es ganz besonders wichtig, einen Ausgleich zu finden. Jeder braucht etwas anderes, um wieder Energie zu tanken. Meine Gedanken und Tipps dazu habe ich in diesem Beitrag zusammengefasst. Über Ruhezeiten für hoch sensible Mütter habe ich hier geschrieben.
Prioritäten setzen.
Um im Alltag mit Familie nicht im Chaos und Stress zu versinken und sich nicht komplett zu verzetteln, ist es notwendig, zu wissen, was für uns gerade wichtiger ist als alles andere. Wir müssen Prioritäten setzen – und nach diesen Prioritäten leben. Dadurch steigt unsere Lebensqualität, weil wir Entscheidungen treffen und aktiv leben und uns nicht von vorgegebenen Bedingungen leiten lassen. Um Prioritäten setzen zu können, müssen wir zum einen wissen, welche Dinge im Alltag unbedingt erledigt werden müssen, welche sinnvoll sind und welche uns gut tun und Spaß machen. Ich habe hier und hier darüber geschrieben, wie ich das umsetze.
„Ask yourself what is really important, and then have the wisdom and courage to built your life around your answer.“ (Lee Jampolsky)
Als Familie eine Vision entwickeln.
Wenn wir uns nicht die Zeit nehme, darüber nachzudenken, wie wir mit unserer Zeit umgehen wollen, dann werden wir das wirklich Wichtige verpassen. Wir werden gelebt. Aus diesem Grund ist es für uns hilfreich, uns nicht nur alleine hinzusetzen und zu überlegen, was wichtig ist, sondern dies als Familie zu tun: Wir setzen uns als Familie zusammen und überlegen, was uns ausmacht, wie wir zusammen leben möchten und was uns wichtiger ist als anderes. Ich habe hier geschrieben, warum wir als Familie eine Vision haben und hier erklärt, wie wir das gemacht haben. Über unser Familienwappen habe ich hier geschrieben.
„Das Ziel ist nicht, eine ‚richtige‘ Familie zu schaffen, sondern unsere Familie.“ (Jesper Juul)
Ressourcen kennen und nutzen.
Vielleicht hast du auch schon bemerkt, dass es viel Energie und Disziplin kostet, Familie, Job, Freunde und Hobbys unter einen Hut zu bekommen und nötige Veränderungen umzusetzen? Unterstützung ist absolut wichtig und hilfreich. Wir können uns hier Dinge zunutze machen, die uns in in der Vergangenheit in irgendeiner Weise geholfen, gut getan oder weitergebracht haben oder es aktuell tun. Diese „Unterstützer“ nenne ich Ressourcen. Ressourcen finden sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Was für den einen und die eine Familie eine wichtige Ressource ist, muss für andere nicht weiter von Bedeutung sein. Wichtig ist deine individuelle Situation und Betrachtungsweise. Wichtige Ressourcen können zum Beispiel sein: Wissen, Können, Erfahrung, Fähigkeiten, Gewohnheiten, Verhaltensweisen, vergangene Erfolge, erreichte Ziele, bewältigte Herausforderungen, Schlüsselerlebnisse, glückliche Zufälle, persönliche Überzeugungen, Werte, Freunde, Familie, Netzwerke, Kunst, Musik, Hobbys, Sport, Träume, Visionen oder unerfüllte Wünsche.
Einen entspannten Familienrhythmus finden.
Damit es allen Familienmitgliedern gut geht, achte ich nicht nur darauf, dass wir den Alltag effizient gestalten, sondern auch, dass es Raum und Zeit für die Bedürfnisse aller gibt. Es lohnt sich, daran arbeiten, dass das Zuhause ein Ort des Friedens und der Entspannung wird. Natürlich gibt es keine Garantie dafür, dass unsere Bemühungen immer fruchten, denn Kinder bleiben Kinder. Trotzdem können wir viel dafür tun, dass sich das Zusammenleben als Familie verbessert. Was uns im Weihnachtsstress hilft, darüber habe ich in diesem Beitrag geschrieben.
Den Beziehungstank auffüllen.
Die meisten Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder selbstbewusst und eigenständig werden. Das Wichtigste, was wir dafür tun können, ist, dafür zu sorgen, dass sich unsere Kinder mit uns verbunden fühlen. Darüber, wie wir auf die „Kontaktanfragen“ unserer Kindern reagieren können, habe ich in diesem Post geschrieben.
In die Paarbeziehung investieren.
Familie geht viel leichter, wenn Eltern an einem Strang ziehen, sich gegenseitig respektieren und wertschätzen, gemeinsam lachen und sich unterstützen. Dafür müssen wir nicht immer einer Meinung sein, aber dafür sorgen, dass wir uns regelmäßig Zeit für einander nehmen.
Einen eigenen Erziehungsstil finden.
Es gibt verschiedene Arten und Weisen, Kinder zu erziehen. Darüber gibt es eine riesige Flut an Literatur und auch im Netz und in Foren findest du eine Unmenge an Erziehungstipps. Auch von Verwandten, Bekannten, Freunden und Fremden gibt es ausreichend Tipps und Tricks. Gefragt und ungefragt. Die Gefahr dabei ist, sich selbst darüber zu verlieren, dem Bauchgefühl nicht mehr zu vertrauen und mir selbst und meinem Kind Dinge zuzumuten, die für uns nicht passen. Das Ziel sollte deshalb sein, eine Erziehung zu finden, der zu uns und unseren Kindern passt. Literatur und Beratung können darin einen Platz haben, diese sollte aber selektiert und bewertet werden.
Vereinbarkeit.
Eine perfekte Organisation ist eine notwendige, aber bestimmt keine hinreichende Bedingung für eine vermeintliche Vereinbarkeit. Sie bedeutet lediglich, dass man viel arbeiten kann und die Kinder versorgt sind. Ihre Entwicklung mitzubekommen und für sie da zu sein ermöglicht perfekte Organisation aber nicht. Job und Familie zu vereinbaren bedeutet deshalb auch, die Bedürfnisse der Familien ernst zu nehmen. Damit ist klar, dass keiner alleine ist mit der Schwierigkeit, Familie und Arbeitsleben zu vereinbaren. Richtig ist auch, dass es keine allgemein gültige Lösung gibt. Verschiedene Artikel und Interviews zum Thema Vereinbarkeit gibt es hier.
Ruhezeiten einplanen.
So wie eine ganze Familie mit einer Grippe samt aller Symptome flach liegen kann und sich erholen muss, so kann sie auch mit Symptomen einer Ermüdung kämpfen. Eine Familie braucht von Zeit zu Zeit Momente, in denen sie auftanken und neue Energie schöpfen kann. Leider ist eine solche Erschöpfung nicht immer so gut zu diagnostizieren, wie eine Grippe. Deutlich Anzeichen, dass eine Familie eine Pause braucht, sind zum Beispiel gegeben, wenn Familienmitglieder sich gegenseitig anschreiben und schnippig aufeinander reagieren, regelmäßig von einem Termin zum anderen gehetzt werden muss, Familienmitglieder nachts schlecht schlafen (zumindest dann, wenn eigentlich alle in einem Alter sind, wo sie normalerweise durchschlafen), schlecht und ungesund gegessen wird, weil keine Zeit für gesundes Essen ist, Familienmitglieder häufig krank werden und es keine andere Ursache dafür gibt, sie Schwierigkeiten auf der Arbeit oder in der Schule haben, für die es keine anderen Erklärungen gibt, sich vermehrt streiten, etc. Einen Beitrag zum Thema „Vereinfachen mit Kindern“ gibt es hier.
„Es ist nicht gesagt, dass es besser wird, wenn es anders wird. Wenn es aber besser werden soll, muss es anders werden.“ (Georg Christoph)
Einen „Notfallkoffer“ für Momente der Überforderung.
Leider gibt es Momente, in denen es nicht reicht, die To-do-Liste zu kürzen und tief durchzuatmen. Trotz bester Ziel und Zeitplanung kann es passieren, dass sich plötzlich ein großes Loch auftut. Plötzliche Veränderungen, ein krankes Kind, ein wichtiger Termin, das Gefühl, völlig überfordert zu sein, Leere oder das Gefühl, alleine zu sein.
„Wir müssen wieder lernen „Nein“ zu sagen und unsere Zeit als kostbares Gut zu schätzen.“ (J. Hegemeister)
Wir haben nicht alles in der Hand und können nicht auf alles Einfluss nehmen. Trotzdem haben wir immer die Möglichkeit, eine Situation aktiv mitzugestalten und zu verbessern. Hilfreich ist für solche Momente ein individueller Notfallkoffer mit „Dinge“, die mir Sicherheit geben, die mich ermutigen, dir ein Lachen ins Gesicht zaubern, mich entspannen und zur Ruhe kommen lassen. Wichtig sind auch „Dinge“, die mir helfen, den Kontakt zu meinen Kindern und meinem Partner möglichst schnell zu verbessern oder wieder herzustellen.
Welche Themen und Punkte sind dir rund um den Familienalltag wichtig? Was ist in deinem Notfallkoffer und hilft dir, wenn du überfordert bist? Ich habe in meinem E-Kurs „Familie gestalten“ zu den genannten und einigen weiteren Themen viele weitere Infos, Tipps und Übungen zusammengestellt.
„Today, this day… It is a once in a lifetime day… Let’s life it, beautifully, gratefully and passionately.“ (unbekannt)