Ich denke, jeder kennt Menschen im privaten oder beruflichen Umfeld, die irgendwie schwierig, kompliziert oder nervenaufreibend sind. Wie kann ich am besten mit ihnen umgehen? Die beiden Therapeutinnen Kristina und Sophia haben für genau diese Frage den Blog „Miss Verständnis“ gestartet. Ich habe ihnen ein paar Fragen gestellt:

miss verständnis, umgang mit schwierigen Menschen
Sophia und Kristina vom Blog Miss Verständnis

Liebe Kristina, liebe Sophia, ihr beide seid Therapeutinnen in einer Klinik. Wie seid ihr zu diesem Beruf gekommen und wie sieht euer Alltag aus?

Kristina: Bei mir war es nicht so, dass ich diesen Beruf schon als kleines Kind im Kopf hatte. Ich wollte etwas mit Menschen machen, was vielfältig ist, viel Abwechslung bietet und meinen Stärken entspricht. Außerdem hat es mich gereizt, die Beweggründe menschlichen Handelns, das individuelle Denken und Fühlen vor dem Hintergrund der jeweiligen Biografie besser zu verstehen.

Sophia: Mein Interesse für Psychiatrie hat sich schon früh entwickelt. Da meine Mutter Krankenpflegerin auf einer psychiatrischen Station ist, konnte ich schon als Kind einen Eindruck vom Arbeiten in einer Psychiatrie gewinnen. Gleichzeitig war ich immer künstlerisch aktiv, weswegen ich mich in der Oberstufe auch für den Kunst LK entschieden habe. Durch das Studium der Kunsttherapie ließen sich diese Interessen gut und sinnvoll kombinieren.

Unser Alltag in der Klinik ist abwechslungsreich und herausfordernd zugleich. Wir arbeiten auf einer Psychotherapiestation, wo primär Menschen mit Persönlichkeitsproblematik und damit verbundenen Folgestörungen (Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen) über einen längeren Zeitraum behandelt werden. Neben der Einzeltherapie bieten wir verschiedene psychotherapeutische und kunsttherapeutische Gruppen an, machen individuelle Therapieplanungen, tauschen uns in Fallbesprechungen mit Kollegen aus oder führen Angehörigengespräche. Leider gehört zur Kliniktätigkeit auch viel Schreibarbeit dazu, bspw. die Dokumentation des Therapieprozesses, Berichte an den Hausarzt etc.

Es hat euch nun in die digitale Welt verschlagen. Nachdem ihr festgestellt habt, dass das Internet überschwemmt ist von Angeboten für Menschen, die Probleme haben, habt ihr einen Blog gestartet für Menschen, die mit sich selbst mehr oder weniger im Reinen sind, es allerdings mit schwierigen Persönlichkeiten zu tun haben. Wie seid ihr auf diese Idee gekommen?

Die Idee ist unter anderem daraus entstanden, dass wir regelmäßig von Familie, Freunden und Bekannten um Rat zu schwierigen Mitmenschen aus deren persönlichem Umfeld gefragt wurden. Da wir seit Jahren hauptsächlich mit Menschen arbeiten, die eine Beziehungsstörung haben (d.h. vorwiegend Probleme auf zwischenmenschlicher Ebene), haben wir mittlerweile viel Erfahrung gesammelt, wie der Umgang mit schwierigen Persönlichkeits-Typen gut gelingen kann. In einer Zeit, wo die meisten Menschen schnellen Rat im Internet suchen, wollten wir unsere Erfahrung für eine breite Masse zugänglich machen. Generell ist uns aufgefallen, dass Seiten und Profile wie Pilze aus dem Boden schießen, die mehr Selbstwert, Zufriedenheit und Glück versprechen. Es gibt hingegen kaum Angebote für diejenigen, die mit genau solchen Betroffenen hadern, z.B. der Freundin, die sich ständig gemobbt fühlt, der Arbeitskollegin ohne Selbstbewusstsein oder anstrengenden Kollegen. Unser Blog soll somit eine Plattform für alle bieten, die sich Hilfe für die kleinen und großen Beziehungsprobleme im Alltag wünschen, auch außerhalb der klassischen Liebesbeziehung.

Sophia, Umgang mit schwierigen Menschen
Sophia
Kristina, Umgang mit schwierigen Menschen
Kristina

Ich denke, dass jeder schwierige Persönlichkeiten im beruflichen oder privaten Umfeld kennt. Gibt es aus eurer Erfahrung „Präventions- oder Schutzmaßnahmen“, um sich vor solchen Menschen zu schützen beziehungsweise gibt es Menschen, die für schwierige Menschen besonders anfällig sind?

Menschen, die selbst ein geringes Selbstwertgefühl haben, sind mit Sicherheit anfälliger dafür, sich im Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten überfordert zu fühlen oder auslaugen zu lassen. Habe ich wegen eines geringen Selbstbewusstseins große Angst vor Ablehnung oder Zurückweisung, bin ich bereit, mehr zu ertragen und tue mich schwer, anderen Grenzen aufzuzeigen. Brauche ich andere, um mich wertvoll und bedeutsam zu fühlen, werde ich ebenfalls nichts tun, was diese Bestätigung von außen gefährdet. Prävention fängt dort an, wo man merkt, dass man den anderen als schwierig empfindet. Dann ist der erste Schritt, sich die Frage zu stellen, ob der Kontakt einem wichtig ist oder nicht. Bedeutet die Person einem etwas oder es gelingt nicht, ihr aus dem Weg zu gehen, kann es hilfreich sein, zunächst einmal die Perspektive des anderen einzunehmen und sich bewusst zu machen, dass es weniger mit einem selbst, sondern mit den persönlichen Erfahrungen des anderen zu tun hat. Es nicht persönlich nehmen und sich ein Problem zu eigen machen, für dessen Lösung klar der andere die Verantwortung hat. Eine wertvolle Maßnahme und Basiskompetenz ist außerdem eine klare Kommunikation, d.h. die eigenen Bedürfnisse äußern und Wünsche aussprechen. Klingt banal, ist für viele dennoch eine Schwierigkeit. Woher soll der andere wissen, wie es mir mit ihm geht, wenn ich dies nicht äußere? Etwas offen anzusprechen, ist außerdem immer der fairere Weg, bevor man den anderen irgendwann nicht mehr ertragen kann, ihn meidet oder unfair wird.

Marie Miyashiro schreibt in ihrem Buch „Der Faktor Empathie*“: „Menschen sind nie schwierig. Vielmehr übersteigt es unsere derzeitigen Fähigkeiten, uns mit ihnen zu verbinden, sie zu verstehen und mit ihnen zu kommunizieren.„. Was sagt ihr als Therapeutinnen zu dieser Aussage?

Generell entspricht es sehr unserer persönlichen Einstellung, dass die Lösung für ein Problem in der eigenen Verantwortung liegt und Selbstreflektion eine wichtige Kompetenz für das Gelingen zwischenmenschlicher Beziehungen ist. Dennoch finden wir die Betrachtung zu einseitig, weil sie impliziert, dass das Problem immer in einem selbst und nicht tatsächlich auch anteilig im anderen liegt. Es ist aus unserer Sicht okay, zu sagen, dass es schwierige Menschen gibt, solange man gleichzeitig das Bewusstsein dafür mitbringt, dass diese nicht aus Absicht oder persönlichem Versagen so agieren, sondern aufgrund ungünstiger Faktoren in ihrer Sozialisierung. Der andere hat in der Regel nicht die Schuld für sein Problem, wohl aber die Verantwortung, es anzugehen. Gute Kommunikationsfertigkeiten bewerten wir trotzdem als eine Kompetenz, bezüglich derer man nie auslernt und die einen im Leben sehr viel weiterbringen kann.

Ich persönlich finde es vor allem schwierig, mit sehr distanzlose Menschen umzugehen. Ich frage mich, ob sie nicht merken, dass sie bei mir immer wieder Grenzen überschreiten. Welche Tipps könnt ihr mir geben?

Tatsächlich ist es so, dass distanzlose Menschen häufig über wenig Empathie und Reflektionsvermögen verfügen. Sie kreisen emotional und gedanklich hauptsächlich um sich selbst und kriegen wenig mit, was bei ihrem Gegenüber los ist bzw. sie beim anderen auslösen. In der Regel nicht aus Absicht oder bösem Willen, sondern aus einem Wunsch nach Zugehörigkeit, schlechten sozialen Kompetenzen, geringem Selbstbewusstsein oder ungünstigen Vorbildern in der eigenen Familie. Es gibt sanftere oder aber unmissverständlichere Arten, wie man mit solchen Menschen sinnvoll umgehen kann. Vorsichtigere Varianten wären, Situationen mit Humor zur Sprache zu bringen, paradox zu intervenieren (z.B. zu noch mehr Distanzlosigkeit einzuladen) und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Wichtigkeit von sich aus zu erfüllen, ohne dass die Person dafür ständig ihr Problemverhalten „auspacken“ muss. Eindeutiger wäre, es offensiv anzusprechen und den anderen damit ggf. in eine peinliche Situation zu bringen, offenzulegen, wie es einem emotional damit geht, eigene Bedürfnisse zu äußern und klare Regeln zu benennen, anstatt Diskussionen anzuzetteln. Auch ist es immer hilfreich, zu prüfen, ob ich selbst etwas dazu beitrage, dass der andere mir gegenüber distanzlos ist (z.B. weil ich mein Herz auf der Zunge trage).

Liebe Kristina, liebe Sophia, vielen Dank, dass ihr meine Fragen beantwortet habt!

*Die Autorin des Buches überträgt die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Marshall B. Rosenberg in den Arbeitskontext und bietet damit viele gute Anregungen und Tipps, um ein gutes Arbeitsklima zu schaffen. Eine Leseempfehlung! Amazon-Partnerlink.

Wer mehr über die Kristina und Sophia, ihre Arbeit und ihren Blog erfahren möchte, kann dies auf ihrer Seite „Miss Verständnis“ sehr gerne tun.