Als fast 40-jährige noch einmal eine Zahnspange? Diese Frage habe ich mir 2018 gestellt. Kaum nachvollziehbar eigentlich, dass diese Frage nach zwei (!!) kieferorthopädischen Behandlungen in meiner Teenie- und Studien-Zeit tatsächlich notwendig ist. Aber das Ergebnis war eher mau und ich hatte noch immer ein tiefen Biss und einen nach vorne gekippten Schneidezahn. Beides hat mich sehr gestört und als ein Kieferorthopädentermin bei meinen Töchtern anstand, habe auch ich mir noch einmal Gedanken gemacht. Heute schreibe ich also rückblickend über meine Erfahrungen. (Achtung: Wer nichts über Operationen etc. lesen und sehen möchte, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen!)

Die Entscheidung

Für die Kieferorthopädin stand fest, dass eine Behandlung nur in Zusammenhang mit einer Kiefer-Operation Sinn macht, um den tiefen Biss zu beheben und damit zu verhindern, dass ich mir die Zähne im Nachhinein wieder schief beiße. Vor meiner Entscheidung stand also auch noch ein Besuch beim Chirurgen an. Meine Kieferorthopädin hatte mir den Kieferchirurgen „ihres Vertrauens“ empfohlen, mit dem sie in Fällen wie meinem zusammenarbeitet und der für mich immer etwa eine Stunde Anfahrtszeit bedeutete. Den Unterkiefer nach vorne zu holen bedeutet, ihn durchzusägen, den Nerv dabei möglichst nicht zu treffen und den Kiefer in der richtigen Position wieder zu verschrauben.

Neben der Angst vor der Operation habe ich mir auch Gedanken darüber gemacht, wie es wohl ist, als erwachsene, arbeitende Frau mit einer festen Zahnspange herumzulaufen. Ich habe mich jedoch für die Behandlung entschieden. Dadurch, dass meine Fehlstellung tatsächlich größer war, hat die Krankenkasse den größten Teil der Kosten (und die komplette Operation) übernommen. Das war für mich eine Bedingung für die Behandlung, denn die Kosten sind nicht gering.

Zwei Jahre feste Zahnspange

Abgesehen von der Zeit, die ich neben dem sonstigen Alltag mit Job und Familie für die regelmäßigen Termine einplanen musste, war die Behandlung (inkl. Eingewöhnung) für mich in Ordnung. Ich wusste ja auch schon sehr gut, was auf mich zukommt. Insgesamt trug ich die feste Zahnspange von November 2018 bis Januar 2021.

Im Anschluss habe ich einen Retainer (jeweils einen angeklebten Draht hinter den Zähnen im Ober- und Unterkiefer, der die Zähne in der jetzigen Position hält) bekommen und trage nachts noch eine Weile eine lose Klammer.

Wie haben die Menschen um mich herum auf die Zahnspange reagiert? Eigentlich gar nicht. Ich bin ziemlich offen damit umgegangen, vielen habe ich vorher davon erzählt. Von wenigen Bekannten kamen zunächst ein paar „witzige“ Bemerkungen. Von ein paar (meist weiblichen) Kolleginnen kamen Nachfragen und sie haben mich darin unterstützt, die Behandlung durchzuziehen. Ansonsten habe ich keine Reaktionen erlebt, vor allem keine negativen.

Ich habe mal versucht, die Veränderungen in Bildern festzuhalten und hoffe, dass man es gut erkennen kann.

Zahnspange als Erwachsener

Die Kiefer-Operation

Die Operation war dann doch etwas später als gehofft, denn es gab einige Termine zur Vorbereitung. Mithilfe von speziellen Abdrücken und Röntgenbildern konnte der Chirurg die OP planen und von diesem Zeitpunkt an durfte kieferorthopädisch nichts mehr verändert werden. Geplant war die Operation für Ende März 2020. Durch Corona war dann jedoch lange nicht klar, ob die OP auch tatsächlich stattfinden kann. Kurzfristig habe ich dann das Okay bekommen, was mich sehr erleichtert hat, denn ich war ziemlich aufgeregt und zu Hause musste der ganze Alltag und mein Job um die OP herum geplant werden. Wäre sie verschoben worden… Ich bin nicht sicher, ob ich es dann durchgezogen hätte.

Die OP war für Montag geplant und meine Familie hat mich Sonntag abends ins Krankenhaus gebracht. Ich bin ehrlich: Zeit im Krankenhaus verbringen zu müssen ist nicht schön und sie trägt weder zum Wohlbefinden noch zum Gesunden bei. Die Abläufe und die Kommunikation fand ich ziemlich bescheiden, was jedoch am System und (so gut wie nie) an den dort arbeitenden Menschen direkt lag. Die OP selbst ist sehr gut verlaufen und direkt im Anschluss ging es mir sehr gut (was vermutlich auch an den Medikamenten lag). Meine beiden Kiefer wurden im Anschluss an die OP mit Gummis an der festen Zahnspange miteinander fixiert, so dass sich nichts verschieben konnte. Am Dienstag Abend wurden mir dann die Drainagen gezogen und am Donnerstag konnte ich von meiner Familie wieder abgeholt werden. Bis etwa vier Tage nach der OP ist mein Gesicht immer weiter angeschwollen, danach wurde es dann langsam wieder weniger.

Zahnspange als Erwachsener, Kiefer-Operation

Nach meinem Krankenhausaufenthalt galt deutschlandweit eine Maskenpflicht in Geschäften, die mir zu diesem Zeitpunkt sehr gelegen kam, so dass ich trotz meines Hamstergesichts in Ruhe schauen konnte, womit ich mich trotz Fixierung ernähren konnte. Schmerzmittel habe ich zu Hause nur noch genommen, weil ich durch die OP eine Rachenentzündung entwickelt hatte und ich erst ein Antibiotikum erhalten habe, als eine Woche später ein Arzt in meinen Rachen schauen konnte. Eine Woche nach der OP wurde dann nämlich die Fixierung entfernt und die Nähte gezogen.

Das Schlimmste in dieser ersten Woche war vermutlich, dass ich zum einen durch die Schmerzen im Rachen vier Tage lang fast gar nichts „gegessen“ habe und zum anderen mit fixiertem Mund das Homeschooling beaufsichtigen musste. Wir hatten selten eine schlechtere Stimmung zu Hause…

Im Anschluss musste ich noch sechs Wochen lang auf hartes Essen bzw. das Kauen verzichten, was mir aber nicht sehr schwer gefallen ist, da man vieles einfach zwischen Zunge und Gaumen zerdrücken und dann schlucken kann. Etwa zwei Monate lang habe ich Gummis zwischen dem Ober- und Unterkiefer getragen, damit sich auch die Muskeln an die neue Kieferstellung gewöhnen konnten. Mit ihnen konnte ich aber essen und sprechen.

Insgesamt war ich für drei Wochen krank geschrieben, konnte aber 1 1/2 Wochen nach der OP schon wieder an virtuellen Meetings teilnehmen. Auch hier bin ich Corona dankbar, denn ins Büro hätte ich noch nicht gekonnt. Erst nach etwa zwei Wochen konnte ich mich wieder länger auf eine Arbeit konzentrieren.

Die Operation ist perfekt gelaufen. Es wurde in meinem Gesicht nur das verändert, was geändert werden sollte, die beiden Kiefer passen nun perfekt aufeinander und daran hat sich auch bis heute nichts geändert. Auch die Nervenstränge, die durch den Unterkiefer gehen, sind bei Operation intakt geblieben. Auf der rechten Seite war mein Kinn einige Wochen leicht taub, aber das ging von alleine zurück.

Mein Fazit

Würde ich es wieder machen? Ja, das würde ich! Ich würde aber wieder darauf achten, Ärzte zu finden, die viel Erfahrung in diesem Bereich mitbringen und denen ich voll vertraue.

Eine allgemeine Empfehlung kann und möchte ich nicht geben. Jedoch rate ich jedem, der mit seinen Zähnen unzufrieden ist, einen Besuch bei einer/m Kieferorthopädin/en, um mit ihr/ihm zu besprechen, welche Möglichkeiten der Behandlung es gibt.

Ich habe vor der Behandlung meinen Unterkiefer unbewusst immer nach vorne geschoben. Dadurch ist vielen mein tiefer Biss nicht aufgefallen, jedoch hatte ich sehr häufig Nackenschmerzen. Nur beim Essen war mein tiefer Biss zu sehen. Über Fotos von mir beim Essen habe ich mich deshalb immer erschrocken. Ich merke nun deutlich, dass mein Nacken weniger verspannt ist und ich mag durch die geraden Zähne viel lieber Lachen.