Über Elternschaft und Familie(-nthemen) zu bloggen, ohne dabei die eigenen Kinder zu erwähnen, ist nahezu unmöglich. Mir liegen die Themen Familienleben und Vereinbarkeit sehr am Herzen und ich gebe gerne meine Tipps und Gedanken weiter und tausche mich aus. Dabei komme ich jedoch immer wieder an den Punkt, an dem ich mich frage, wie viel ich dabei von unserem Familienleben und -alltag hier auf dem Blog Preis geben und zeigen möchte.
Im Februar 2019 veröffentlichten die Journalistin Kali Richter und Dr. Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut in Hamburg in der Zeitschrift merz (Medien+Erziehung) ihre Ergebnisse einer Studie unter deutschsprachigen Elternbloggerinnen und -bloggern. Das Thema: „Öffentliche Kindheit in Elternblogs?“. Für die Studie wurden im Juni 2017 311 Familienbloggerinnen und -blogger befragt, die im MOM Blog-Portal von brigitte.de gelistet waren.
Ergebnisse der Befragung von Eltern-Bloggern
Laut der Befragung nennen 87,5% der Blogger das Alter des Kindes / der Kinder, 23,8% zeigen Fotos, auf denen die Kinder zu erkennen sind, 65,6% zeigen Fotos so, dass die Kinder nicht zu erkennen sind und 15,1% teilen persönliche Informationen des Kindes / der Kinder, wie etwa gesundheitliche Informationen. Auf 77,8% der Blogs kommt Werbung in irgendeiner Weise vor. „Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass Werbung gut sichtbar gekennzeichnet sein müsse und dass beworbene Produkte und Dienstleistungen kritisch zu testen bzw. zu bewerten seien.“ Viele Blogger orientieren sich dabei an bestehenden Kodizes.
Die Autoren sehen in der gängigen Praxis der (Eltern-)Blogger, nämlich öffentlich, authentisch und selbstbestimmt über den Alltag zu schreiben und Bilder zu veröffentlichen, die Privatsphäre der Kinder bedroht.
Was bedeutet die Privatsphäre von Kindern und wann ist sie in Gefahr?
Diese Frage ist wichtig, wenn zu klären ist, was für Blogger „in Ordnung“ ist und wann eine Grenze überschritten wird. In der UN-Kinderrechtskonvention steht im Artikel 16:
(1) Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden.
(2) Das Kind hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen solche Eingriffe oder Beeinträchtigungen.
Schreiben Eltern öffentlich zugänglich über Familienalltag, Erlebnisse und Entwicklungsprozesse und zeigen ggf. auch Bilder und spielen womöglich auch kommerzielle Erwägungen eine Rolle, greifen sie damit in die Privatsphäre ihrer Kinder ein. Aber ist sie damit bereits in Gefahr?
Die Autoren beschreiben, dass Blogger zwar mehrheitlich Routinen haben, um den Schutz ihrer Kinder zu gewährleisten, dass jedoch die Privatsphäre der Kinder „angesichts der Durchsuchbarkeit und Persistenz der digitalen Spuren, die die Eltern hinterlassen, bedroht“ sind. Kritisch sehen sie außerdem, dass die Beziehung zwischen Eltern und Kind „nicht nur in Hinblick auf ein unbekanntes Publikum geöffnet, sondern zusätzlich auch noch monetarisiert wird„.
Das Argument vieler Blogger für Kinderbilder ist: Kinder sind Teil unserer Gesellschaften und sollen deswegen auch sichtbar stattfinden! Aber wie kann das gelingen, wenn wir die Privatsphäre unserer Kinder schützen wollen? Wo beginnt ein willkürlicher oder rechtswidriger Eingriff?
Die Autoren geben darauf keine eindeutige Antwort oder Leitlinien, sehen aber in kollektiven Selbstverpflichtungen, Kodizes oder „Community Guidlines“ einen Lösungsansatz: „Wünschenswert wäre, wenn die Elternblogosphäre diese Fragen reflektieren und zur Grundlage eigener Regeln und Kodizes machen würde, die die Kinder stärker berücksichtigen.“
Damit werfen die Autoren ein großes Thema auf und geben eine Aufgabe mit auf den Weg, sie entziehen sich aber der Möglichkeit, selber hilfreiche Anhaltspunkte zu liefern. Trotzdem finde ich das Thema sehr spannend und möchte mir selber weitere Gedanken dazu machen. Aus meiner Sicht müssten für einen einheitlichen Kodex zunächst einige Fragen geklärt werden:
- Was sind (implizite und explizite) Erwartungen an (Eltern-)Blogger? Welche individuellen Routinen haben Blogger und wie groß ist die Motivation, die Privatsphäre der Kinder besser zu schützen, wenn möglicherweise die Reichweite sinkt oder Kooperationen ausbleiben?
- Was bedeutet die Privatsphäre von Kindern im Zusammenhang mit dem Internet und sozialen Medien? Wo beginnt ein willkürlicher oder rechtswidriger Eingriff?
- Welche konkreten Möglichkeiten gibt es bzw. ergeben sich aus den vorherigen Fragen, um die Privatsphäre der Kinder als (Eltern-)Blogger zu schützen?
- Wie könnte ein Kodex für (Eltern-)Blogger konkret aussehen und welche Sanktionen bei Nicht-Einhaltung können wie folgen?
Wie wichtig findest du einen Kodex für (Eltern-)Blogger? Ich finde dieses Thema sehr wichtig und bin gespannt, ob es weiteres Feedback auf den Artikel geben wird!
Weitere Links zum Thema:
In dem aktuellen Beitrag zum Thema „Social Media – Süß, nicht wahr?“ geht es vor allem um Instagram. Die Autorin Lena Luisa Leisten fragt: „Hier ein Bild vom Eisessen, da eins vom Strandurlaub: Kinder tauchen einfach so im Instagram-Feed ihrer Eltern auf oder werden von ihnen mit Likes verfolgt. Ist das okay?„
2016 wurde das Thema Kinderfotos im Netz auf Blogger-Konferenzen und in vielen Beiträgen diskutiert. In diesem Beitrag lässt sich die Diskussion ein wenig nachvollziehen. Das Fazit hier: „Kinderfotos im Netz sind eine persönliche Einstellung“.
In den folgenden beiden Beiträgen plädieren Elternblogger für einen sensiblen Umgang mit Kinderbildern und geben Tipps zum Vorgehen: „Kinderfotos im Netz – ja oder nein? Meine Tipps für sensiblen Umgang“ und „Kinderfotos im Netz„.
Es gibt im Netz aktuell hauptsächlich zwei Kodizes für Blogger: Den Blogger-Kodex – basierend auf dem Reiseblogger-Kodex sowie den Outdoor Blogger Codex.
Mehr Beiträge zum Thema „Familie“ auf meinem Blog findest du hier.