In den letzten Wochen habe ich zwei spannende Bücher gelesen, die perfekt zum Thema „Freiheit“ passen. Ich möchte sie heute vorstellen und meine wichtigsten Erkenntnisse teilen.

Mut zur Angst
Plantgang

„Mut zur Angst: Wie wir uns durch das, was wir fürchten, heilen können*“ von Lissa Rankin

Ich glaube, ich habe noch nie ein Buch gelesen, in dem sich die einzelnen Kapitel so stark voneinander unterscheiden. Und doch ist es spannend und gut zu lesen und am Ende passt alles zusammen. Die Autorin ist eigentlich Ärztin und im Vorwort des Buches beschreibt sie, wie sie durch persönliche Erfahrungen und dem Austausch mit anderen begonnen hat, sich mit dem Thema Angst zu beschäftigen und wie sie lernen musste, dass sich nicht alles mit Medizin regeln und mit Wissenschaft erklären lässt. Der erste Teil ist sehr wissenschaftlich gehalten. Es geht um die Physiolgie der Angst und darum, welche Auswirkungen Angst haben kann.

Im zweiten Teil geht es zunächst darum, zwischen begründeter und unbegründeter Angst zu unterscheiden: „Begründete Angst ist ein natürlicher Überlebensmechanismus, der dazu dient, uns zu schützen. Und unangebrachte Angst ist ein wichtiges Instrument, uns etwas zu lehren, und dient dazu, uns neue Einsichten zu bescheren.“ Es ist wichtig, zu lernen, zwischen diesen beiden Ängsten zu unterscheiden und sie als Hilfe und Wegweiser zu betrachten. Viele unbewusste Ängste kommen von unserem inneren Kind (dem kleinen Ich), dass sich Gehör verschafft, tendenziell ängstlich ist, oft unbewusst auf Dinge reagiert, die in der Gesellschaft Einfluss haben oder in der Kindheit geschehen sind oder versucht, das eigene Weltbild oder Glaubenssätze zu schützen. Deshalb plappert es den ganzen Tag in unserem Geist und möchte, dass wir lieber etwas zu vorsichtig sind, als uns Gefahren auszusetzen.

Da wir mit dem Glauben aufwachsen, in einer gefährlichen Welt zu leben (oft aufgrund dessen, was wir in der Kindheit gelebt haben), schließen wir daraus, wir müssten alles dafür geben, um Armut, Gewalt, Krankheit, Schmerz, Zurückweisung und Verlassenwerden abzuwenden.“ Gegen diese Grundängste helfen die vier Mut kultivierenden Wahrheiten, die die Autorin ausführlich untermauert: „1. Ungewissheit ist das Tor zu neuen Möglichkeiten, 2. Verlust ist etwas Natürliches und kann Wachstum bewirken, 3. Alles im Universum hat einen Sinn, 4. Wir alle sind eins.“ In den einzelnen Unterkapitel geht es unter anderem um Intuition und anomale Kognition (übersinnliche und andere anomale geistigen Fähigkeiten). Spannend, aber auch etwas irritierend.

In allen Kapiteln gibt es viele Beispiele und persönliche Erzählungen sowie Übungen zum Sofort-Umsetzen. Im dritten Kapitel wird es noch konkreter, es geht um das Mut-Rezept: „Vergessen Sie nie, dass Sie kein hilfloses Opfer Ihrer Angst sind. Seien Sie der Angst dankbar, denn sie kann Sie etwas lehren. Sie zeigt Ihnen die Punkte auf, an denen Vertrauen gefragt ist., damit Sie zu innerem Frieden und Unerschrockenheit finden.“ Das klingt einfacher als es ist. Spannend ist in diesem Zusammenhang die Frage: „Wer wären Sie, wenn die Angst Sie nicht zurückhielte?“ …und welche interessanten Nebenwirkungen würde das haben?

Zum Schluss geht die Autorin ausführlich auf ihre sechs Schritte zum Kultivieren von Mut ein:

  1. Vertrauen (Angst-Auslösenden Glaubenssätzen bewusst mit Mut und Vertrauen begegnen)
  2. Unterstützung (Unterstützung durch Menschen im eigenen Umfeld)
  3. Intuition (Lernen, der eigenen Intuition zu vertrauen)
  4. Diagnose (Ermittlung der Wurzeln der unangebrachten Ängste)
  5. Rezept (Eigene Mut-Rezepte zusammenstellen)
  6. Loslösung (Loslösen von Erwartungen und Lernen, die Dinge zu nehmen, wie sie sind)
Auch alte Wunden können heilen

„Auch alte Wunden können heilen: Wie Verletzungen aus der Kindheit unser Leben bestimmen und wie wir uns davon lösen können*“ von Dami Charf

Ein zweites Buch, was mich nachdrücklich sehr beeindruckt hat: Im ersten Kapitel geht es darum, „wie frühe Wunden auf unser Leben wirken – und warum das Problem selten das Problem ist„. Viele Menschen suchen nach Lösungen für Symptome, wie Nervosität, Konzentrationsschwäche, Schlaflosigkeit, Kraft- und Energielosigkeit bis hin zu Depression und Burn Out. Doch häufig helfen einfache Lösungen und Selbstmedikation nicht weiter, weil das Problem tiefer, nämlich in frühen Erfahrungen, liegt. Frühe Entwicklungstraumata können die Ursache dafür sein, dass wir als Erwachsene Schwierigkeiten damit haben, uns selbst zu regulieren. Selbstregulation ist wichtig, um uns zum Beispiel nach Stress zu beruhigen, um uns zu erholen und zu entspannen, uns zu konzentrieren, mit Frust umzugehen, Gefühle und Impulse wahrzunehmen und zu kontrollieren, innezuhalten, bevor wir nach einem Reiz reagieren. Die Autorin zeigt auf, wie hinderliche Bindungsmuster entstehen. (Ein spannender Artikel, der Aspekte des Problems beleuchtet habe ich vor einiger Zeit entdeckt: „Warum Hitler bis heute die Erziehung von Kindern beeinflusst“ (Zeit Online, September 2018): „Für eine Generation aus Mitläufern forderten die Nazis von Müttern, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu ignorieren. An den zerrütteten Beziehungen leiden noch die Enkel.„)

Im zweiten Kapitel beschreibt die Autorin ausführlich fünf Lernaufgaben, die wir von Geburt an haben und die wesentlich mitbestimmen, wie gut wir später für unser Leben gerüstet sind: 1. Sicherheit und Willkommensein, 2. Bedürfnisse und Sattwerden, 3. Hilfe annehmen können, 4. Selbstständigkeit und Verbundenheit, 5. Liebe und Sexualität. In diesem Kapitel beschreibt sie sehr anschaulich, wie schon die Geburt und soagar die Zeit davor prägend sind für unser Leben, auch wenn wir uns nicht aktiv daran erinnern können: „Die Prä- und Perinatale Psychologie geht davon aus, dass bei der Geburt bereits Lebensskripte für die gesamte Lebenshaltung gelegt werden. Kommen wir mit Todesangst auf die Welt, weil uns die Nabelschnur fast erdrosselt hat? (…) Oder kommen wir in Ruhe in einem warmen abgedunkelten Raum auf die Welt und werden liebevoll auf Mamas Bauch gelegt?“

Alles, was wir in uns tragen, was uns aber nicht bewusst ist, bestimmt und prägt maßgeblich unser Leben. Häufig ist uns gar nicht klar, woher die ungesunden Muster kommen. „Jede Form von Trauma ist immer eine Trennung von sich selbst, von der eigenen Körperlichkeit, und eine Trennung von anderen Menschen. Letztlich isoliert uns ein Trauma vom Leben und der Lebendigkeit.“ Die Autorin beschreibt im dritten Kapitel ausführlich, wie sich unsere Prägungen in unserem Körper und unserer Persönlichkeit ausdrücken. Deshalb ist es vor allem anderen wichtig, einen guten Bezug zu unserem Körper herzustellen und zu lernen, ihn zu fühlen und wahrzunehmen. Um aus alten Handlungsmustern auszusteigen und Heilung zu erfahren, sieht die Autorin die wichtigsten Schritte darin:

  • Den eigenen Körper wieder zu fühlen und darin Heimat zu finden,
  • die Selbstregulation zu erhöhen,
  • Emotionen regulieren zu lernen,
  • die eigene Kontakt- und Beziehungsfähigkeit zu stärken.

Sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen zu wollen, bedeutet, sie in einem Keller mit Falltür einzusperren. Mit einem Bein müssen wir immer auf der Türe stehen bleiben und unser Bewegungsradius ist zeitlebens sehr begrenzt. Dieser Vergleich der Autorin hat mich sehr bewegt.

Das waren meine beiden Januar-Lesetipps. Hast du spannende Bücher gelesen, die du empfehlen kannst? (*Amazon-Partnerlinks)